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1941
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Turm

Der Turm ist in der kirchlichen Tradition der Wächter. Im Westen stehend, bewacht er das Gotteshaus vor den Mächten der Finsternis. Darum steht der Hahn auf seiner Spitze als der Wecker und Warner; darum rufen aus ihm die Glocken aus der Ewigkeit in die Ewigkeit; darum kündet er die verrinnende Zeit durch den Glockenschlag der Stunde; darum reißt er den Blick in die Höhe: sursum corda! Weil er das Eingangstor bewacht, gehört in ihn hinein oder in seine Nähe die Taufkapelle. Nach außen hin stand in den älteren Zeiten über seinem Tor die Gestalt des Weltenrichters Christus oder des Erzengels Michael. Weil er der Welt zugewandt ist, ist er auch am stärksten den versucherischen Mächten der Welt ausgeliefert. In der Geschichte des Kirchenbaus verliert er in den Spätzeiten den Charakter des „Wächters” und wird durch seine immer weiter durchgebildete dekorative Fassade zum Repräsentanten weltlicher Macht und Kunst. In den Zeiten vollendeter Verweltlichung gerät er ganz in das profane Leben hinein, das ihn, abseits von den Gotteshäusern, zur Verkörperung menschlichen Eigenwillens macht. So wiederholt sich in seiner Geschichte das Schicksal des Turmbaus zu Babel.

Das Gottesjahr 1941, S. 113
© Johannes Stauda-Verlag Kassel

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-02-19
 

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