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Wiedergeburt

Keines unter den Bildern, die das Neue Testament für die Erneuerung des Menschen gebraucht, drückt so radikal wie das Wort Wiedergeburt aus, daß der Mensch in seinem Wesenskern gewandelt werden und wirklich von neuem anfangen muß, und zugleich, daß das nicht von ihm als sein Werk vollbracht, sondern als ein ihm selbst unbegreifliches Geschehnis erfahren wird; in beidem der leiblichen Geburt vergleichbar. Doch legt die Bibel den größten Nachdruck darauf, daß die Geburt auf grund des physischen Zeugungszusammenhangs und die Geburt „von oben her” nicht miteinander verwechselt werden; in der Wiedergeburt gewinnt der Mensch Anteil an einem neuen Lebenszusammenhang. Die Taufe nennt die Bibel das Bad der Wiedergeburt (Tit. 3, 5); dabei ist das Wasser das Bild des Mutterschoßes, aus dem das neue Leben hervorbrechen soll, und der Geist die göttliche Kraft, die das neue Leben hervorbringt. Anders als „durch Wasser und Geist” kann der Mensch nicht in dieses neue Leben hineingeboren werden; nicht ohne die Bitternis eines wirklichen Sterbens und die Schmerzen der Geburt. Daß der Mensch, um zu seiner wahren Erfüllung zu kommen, ein zweites mal geboren werden muß, und daß niemand anders als durch Schuld, durch schmerzhaftes Zerbrechen und Sterben hindurch in diesen neuen Menschen gewandelt werden kann, ist eine alte und allgemeine Erkenntnis aller tieferen Weisheit; der christliche Glaube sieht in der Heiligen Taufe diese Wiedergeburt vorbereitet und vorgebildet, aber er kann darüber nicht vergessen, daß in einem anderen Sinn die Wiedergeburt erst dem reifen Menschen widerfahren kann, der durch Gottes Ratschluß an die Todesgrenze seines natürlichen Lebens geraten ist.

Das Gottesjahr 1941, S. 120
© Johannes Stauda-Verlag Kassel

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-02-19
 

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