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Meditation

Von aller geistlichen Übung ist die für die Wiedererweckung geistlichen Lebens in der Gegenwart wichtigste die Meditation. Sie stellt einen besonderen Erkenntnisweg, den der inneren Erfahrung dar.

Der subjektive Sinn der Meditation liegt in der Erschließung und Durchdringung der unbewußten Tiefenschichten der Seele, die der Verstand nicht erreicht; der objektive in der Tiefenschau, die in das Innere der Gegenstände unserer Erfahrung eindringen und sie aus ihrem innersten Wesen heraus verstehen will, statt sie nur dem Ordnungssystem unserer Begriffe einzuordnen. Auch der Meditierende denkt, aber nicht in Begriffen, sondern in Bildern, nicht mit dem ordnenden Verstand, sondern mit dem schauenden Auge des „Bildbewußtseins”. Dem Verstand fällt hier nur die wichtige Vor- und Nacharbeit der Ordnung zu. Ohne solche Ordnung wird aus der Meditation ein dumpfes Schwelen und Brüten in Bildern, statt einer Ausweitung und Vertiefung unseres geistigen und geistlichen Horizontes.

Man kann über jeden beliebigen Inhalt meditieren. Welche Wirkung von der Meditation ausgeht, hängt ganz von ihrem Inhalt ab; meditieren kann sehr gefährlich sein, deshalb darf man es nie ohne persönliche Führung anfangen. Entscheidend wichtig ist das Meditieren über Bibelworte; der tiefste Gehalt der Bibel kann nur meditativ erschlossen werden. Man kann dabei drei Stufen unterscheiden: Anschauung, Einstrahlung, Rückstrahlung. Als Beispiel diene das Wort: „Gott ist Liebe” (1. Joh. 4, 16).

Die Klarheit und Farbigkeit der Anschauung ist das Erste. Ich muß vom abstrakten Denken loskommen. Ich besinne mich, wo ich Gottesliebe an mir oder an anderen schon einmal erfahren habe, etwa wie ich sie täglich erfahre in Herzschlag und Atem, in Speise und Trank, in Regen und Sonnenschein. Ich mache mir das in ganz konkreten Bildern, statt nur in allgemeinen Begriffen deutlich. Dann lasse ich auf der zweiten Stufe diese Gottesliebe in die innersten Wurzelbereiche meines Lebens, in mein Herz hineinstrahlen. Ich mache mir wieder in konkreten Bildern deutlich, was solche ganze freie und unerschöpfliche Gottesliebe für mich, für die Grundfragen meines Lebens, für mein Lebensgefühl bedeutet. Aus unerschöpflicher Quelle strömendes Leben will sie in mir sein. Und ebenso will dann die Rückstrahlung des so gewonnenen inneren Lichtes in das Leben in konkreten Bildern gesehen sein. Meditation erweist sich so als ein Weg zu immer neuen Entdeckungen, zu neuem Sehen und Hören. „Selig sind eure Augen, daß sie sehen, und eure Ohren, daß sie hören.” (Matth. 13, 16)

Das Gottesjahr 1941, S. 81-82
© Johannes Stauda-Verlag Kassel

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© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-02-04
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