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Heidentum

Von Heiden und Heidentum zu reden, ist vieldeutig und gefährlich. Im allgemeinsten Sinn reden wir mit der Bibel von Heiden, wo wir die Gesamtheit aller Völker und ihrer Religionen außerhalb der biblischen Offenbarung meinen. In ihnen allen sind verdunkelte und z. T. verzerrte Spuren und Reste einer ursprünglichen Gotteserkenntnis wirksam; darum ist echtes Heidentum nie ganz ohne Wahrheit, darum auch nicht ohne Würde, Größe und Verheißung. Zumeist freilich läßt uns der Gegensatz nur die Grenze des Heidentums und den darauf lastenden Fluch sehen: Weil die heidnische Religion in der Verehrung der naturhaft wirkenden Mächte, der Götter und der Dämonen gefangen bleibt, darum herrscht in ihr die Angst und die Grausamkeit, und das Höchste, zu dem sie kommt, ist die unerfüllte Sehnsucht nach Erlösung. Das heidnische Erbe ist aber auch in der christlichen Kirche nicht einfach verschwunden; darum hat es einen tiefen Sinn, wenn christliche Kirchen über heidnischen Kultstätten erbaut worden sind, oder wenn die Bilder heidnischer Gottheiten an bestimmten Punkten des kirchlichen Raumes, z. B. im Sockel des Taufsteins ihren Ort haben. Darin kommt die tiefe und wichtige Erkenntnis zum Ausdruck, daß die kosmischen Mächte, in deren Verehrung das „Heidentum” befangen ist, von Christus überwunden und seiner Herrschaft dienstbar gemacht worden sind. Das „nachchristliche Heidentum” das nach der Berührung des Einzelnen oder eines ganzen Volkes mit Christus sich von dem Christusglauben löst und in eine heidnische Lebensgläubigkeit zurückkehren möchte, ist etwas völlig anderes. Hier tritt anstelle der vorchristlichen Situation, die ihrer selbst unbewußt auf Christus hinzielt und in ihm ihre Erfüllung findet, der Abfall und notwendig daraus folgend der Christushaß; anstelle der Furcht, die durch das Evangelium erlöst werden kann, eine falsche Sicherheit im Vertrauen auf eben die Mächte, die gewaltig, herrlich, furchtbar und ohne Barmherzigkeit sind.

Das Gottesjahr 1941, S. 53
© Johannes Stauda-Verlag Kassel

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-02-01
 

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