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1933
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Apokalypsis
von Karl Bernhard Ritter

LeerOffbg. Joh. 14, V. 14 ff. „Und ich sah, und siehe, eine weiße Wolke, und auf der Wolke saß einer, der gleich war eines Menschen Sohn, der hatte eine goldene Krone auf seinem Haupt und in seiner Hand eine scharfe Sichel. Und ein Engel ging aus dem Tempel und schrie mit großer Stimme zu dem, der auf der Wolke saß: Schlag zu mit deiner Sichel und ernte, denn die Zeit zu ernten ist gekommen, denn die Ernte der Erde ist dürr geworden.”

LeerDie weiße Wolke strahlt. Ihr Licht sengt hernieder auf die Erde. Wir haben uns so lange verborgen vor ihrem Licht. Wir hatten große Worte und fühlten uns als die Herren der Welt. Und grenzenlos lag die Zeit vor uns. Wir Menschen haben Zeit, uns einzurichten auf der festen, dauernden Erde, so wähnten wir. Wollten wir nicht den Himmel auf Erden schaffen? Nun weicht der Nebel, der uns den Anblick der Wirklichkeit verbarg, in dem unsere Gedanken zu phantastischen Träumen wuchsen. Des Himmels Licht strahlt aus der Lichtwolke. Und siehe da, wir erkennen, was ist. Unsere Werke sind dürr und unfruchtbar. Die Stunde des Erwachens wird zur Stunde des Gerichts. Was ist all unsere aufgeblähte Herrschaft über die Welt? Nun erscheint der wahre Herr der Welt. Und seine Sichel blitzt und schlägt an und mäht. Wie fallen die stolzen Häupter der Erde, wo der Strahl der Sichel aufblitzt! Wie zittern die Halme vor dem Augenblick, wo auch sie getroffen sinken, dürres Gras!

LeerSeht die strotzenden, starken, die sich vollgesogen haben mit dem Blut der Erde und trunken wurden von unersättlichen Gelagen, die schwelgten in der Sicherheit ihres Reichtums? „Und der Engel schlug an mit seiner Hippe an die Erde und schnitt die Trauben der Erde und warf sie in die große Kelter des Zorns Gottes. Und die Kelter ward draußen vor der Stadt getreten, und das Blut ging von der Kelter bis an die Zäume der Pferde durch tausend sechshundert Feld Wegs.” Sind je solche Ströme Bluts von der Erde getrunken worden wie in unsern Tagen? Und noch ist kein Ende zu sehen. Erschauernd spüren wir: Das Gericht hat begonnen.

LeerOffbg. Joh. 13. „Und ich traf an den Sand des Meeres und sah ein Tier aus dem Meer steigen, das hatte sieben Häupter und zehn Hörner, und auf seinen Hörnern zehn Kronen, und auf seinen Häuptern Spornen der Lästerung. Und sie beteten das Tier an und sprachen: Wer ist dem Tier gleich, und wer kann mit ihm kriegen?”

LeerAus der Tiefe der Wasser, aus dem Chaos der Triebe, der Dumpfheit des Blutes, aus den Abgründen der Seele steigt es auf. Und fordert die Herrschaft über die Menschen. Und die Menschen unterwerfen sich. Sie feiern die Herrschaft des Tieres. Sie geben ihm viele Namen, stolze Namen. Sie werfen Adel und Würde ihres Menschentums weg. Sie preisen den Rausch und preisen das Blut und sehen Kronen auf den Häuptern des Tieres. Ihre Philosophen sagen: recht so. Ihre Gelehrten beweisen es, daß niemand mit dem Tiere kriegen kann. Alle Freiheit des Geistes, alle Zucht der Gedanken, alle Reinheit ist törichter Wahn, vergebliche Flucht vor dem Tier. Daß Du den Blick zur Sonne emporhebst, ist sinnlose Sehnsucht, ist Illusion. Schaue unter dich. Im Tier ist die Wahrheit. Aus den dunklen, feuchten Höhlen, ans den Abgründen der Tiefe steigt empor, was wir anbeten. Das Tier hat die letzte Macht. Das Tier mit den vielen Häuptern ist euer Gott, wenn ihr denn Götter braucht. Schamlos tritt es auf und fordert höchste Verehrung.

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Leer„Und es ward ihm gegeben ein Mund, zu reden große Dinge und Lästerungen. Und es tat seinen Mund auf zur Lästerung gegen Gott, zu lästern seinen Namen und seine Hütte und die im Himmel wohnen.”

LeerGab es das schon vor unseren Zeiten, daß man das Tier verehrt, verherrlicht, das aus den Wassern aufsteigt, daß man seine Macht anstaunt und sich ihm gefangen gibt ohne Kampf, ja den Kampf und den Willen und den Geist, der über das Tier hinaus will, verlacht? „Und der ganze Erdboden verwunderte sich des Tiers”! Furchtbar zu sagen, aber die Christen sind es zuerst, die dem Tier erliegen und seiner Herrschaft, das christliche Europa, das christliche Amerika verliert am ehesten die Kraft zum Widerstand: „Und ihm ward gegeben zu streiten mit den Heiligen und sie zu überwinden, und ihm ward gegeben Macht über alle Geschlechter und Sprachen und Heiden”. Von dem christlichen Europa geht die Herrschaft des Tieres aus und verdirbt alle Völker und die Heiden! Wie geschieht das?

Leer„Und ich sah ein anderes Tier aufsteigen aus der Erde, das hatte zwei Hörner, gleichwie ein Lamm und redetet wie ein Drache”. Unschuldig scheint es, dem Menschen zu Dienst. Und redet klug wie die Schlange. Sollte sie böse sein, gefährlich, diese Intelligenz, die Kraft der Erkenntnis, die Klugheit, mit der sich der Mensch die Erbe unterwirft? Ist sie uns nicht zu Diensten, eine Kraft, gehorsam und wie ein Lamm unserem Willen, der sie gebraucht? Ist sie nicht die Kraft alles Fortschrittes? Sollten wir uns der Wissenschaft, der Technik nicht anvertrauen? Macht sie uns nicht zu Herren der Erde?

Leer„Und es tut große Zeichen, daß es auch macht Feuer vom Himmel fallen vor den Menschen”. Den Blitz haben wir eingefangen und die Kräfte des Feuers, und die wunderbaren Ströme der Elektrizität müssen uns dienen. Das ist die letzte und größte, die wunderbarste Leistung des technisches Verstandes. Wie weit haben wir es gebracht im Zeichen dieses Tieres! Aber es wohnt ihm inne eine verführerische Macht. Wo der bloße Verstand zur Herrschaft kommt, da raubt er dem Menschen die Kraft zum Widerstand gegen die dämonischen Mächte der Tiefe und des Triebes. Er raubt ihm die Kraft des sittlichen Urteils. Der Mensch wird im Innersten, im Wesen unsicher, schwankend. Er wird durch allen Scharfsinn nur blind für die Drohung der Dämonien. Jede Gemeinheit, jede Verworfenheit läßt er gelten, wenn sie nur glänzende Worte findet, sich zu rechtfertigen. Verbrechen ist kein Verbrechen mehr. Lustmörder werden zu Märtyrern einer überlebten Gesetzgebung, unseres Mitleids würdig. Jedes Laster findet seinen Lobredner, der es als geniale Menschlichkeit feiert. Erst da ist das Verderben unserer Zeit ganz erkannt, wo dies Doppelspiel des Bösen durchschaut wird.

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Leer„Und es macht, daß die Erde und die darauf wohnen, anbeten das erste Tier, dessen tödliche Wunde heil geworden war.” Solange der Verstand noch nicht herrschte, solange er Diener war des Menschen, der seinen Adel in seiner letzten Verbundenheit mit der Schöpfung, aus der ihr innewohnenden göttlichen Weisheit erhielt, scheuchte die Stimme des Gewissens das Tier in die Tiefe des Meeres zurück. Es traute sich nicht ans Licht des Tages, auf die Oberfläche der Erde. Aber jetzt ist das Gewissen durch den Verstand aufgelöst. Wo der Verstand die letzte Entscheidung beansprucht, wird dem Menschen das sittliche Urteil, das ans tieferen Gründen und Bindungen stammt, da wird ihm das Schwert des Gewissens entwunden. Da heilt die klaffende Wunde des Tieres aus dem Abgrund.

Leer„Und es verführte die auf Erden wohnen, um der Zeichen willen, die ihm gegeben sind zu tun vor dem Tier, und sagt denen, die auf Erden wohnen, daß sie ein Bild machen sollen dem Tier, das die Wunde vom Schwert hatte und lebendig geworden war.” Wir erschrecken, wie diese Gesichte der Apokalypse in die verborgenen Hintergründe und Untergründe unserer Zeit hineinschauen lassen. Und wir erschrecken noch mehr, wenn wir weiter lesen, wie diese Herrschaft des Verstandes sich durchsetzt, wie sie Alleinherrschaft werden will, wie nur noch gelten darf die Klugheit, das technische, rechnende, zweckhafte Denken und der Trieb, der vom Verstand anerkannt, ja vergöttert wird. Diese Entwicklung, daß die eine Macht der anderen zum Siege hilft, ihr zur endlichen Anerkennung verhilft, will sich vollenden. Eine Vision steigt auf, die für den, der ihre Sprache versteht, die grauenhafte Folgerichtigkeit all dessen, was uns in dieser Stunde der Weltgeschichte bedroht, in einem erbarmungslosen Lichte aufdeckt:

Leer„Und es ward ihm gegeben, daß es dem Bilde des Tieres den Geist gab, daß des Tieres Bild redete, und machte, daß alle, welche nicht des Tieres Bild anbeteten, getötet würden.” Hat je eine Herrschaft eine unerbittlichere Inquisition, einen härteren Zwang errichtet als das System, da der Rationalismus den Materialismus zum religiösen Dogma erhebt und jede Abweichung von der rechten Lehre blutig verfolgt? Wir sehen den Osten, Rußland vor uns. Aber wir sehen ebenso den Westen, den Kapitalismus, mit seinem dämonischen Zwang, mit seinen Forderungen, die im System der intelligenten Selbstsucht liegen, denen keiner sich entziehen kann, will er nicht unter die Räder kommen. Alle müssen sich dem System fügen, dem Wirtschaftssystem, das doch viel mehr ist, eine dämonische Herrschaft über die Seelen und über die Völker: „Und es macht, daß die Kleinen und die Großen, die Reichen und die Armen, die Freien und Knechte allesamt sich ein Malzeichen geben an ihre rechte Hand, oder an ihre Stirn, daß niemand kaufen oder verkaufen kann, er habe denn das Malzeichen, nämlich den Namen des Tieres.”

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LeerOffbg. Joh. 12 V. 7 ff. Sollen, müssen wir verzagen, ist das allgemeine Verderben und das Gericht das letzte Wort? Nein, im Himmel ist der Sieg über den Drachen erstritten und durch den Christus haben Menschen Macht erhalten, zu überwinden: „Und es erhob sich ein Streit im Himmel: Michael und seine Engel stritten mit dem Drachen, und der Drache stritt und seine Engel, und siegten nicht, auch ward ihre Stärke nicht mehr gefunden im Himmel, und es ward ausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel und Satanas, der die ganze Welt verführt und ward geworfen auf die Erde, und seine Engel wurden auch dahin geworfen. Und ich hörte eine große Stimme, die sprach im Himmel: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus, weil der Verkläger unserer Brüder verworfen ist, der sie verklagte Tag und Nacht vor Gott. Und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses, und haben ihr Leben nicht geliebt bis an den Tod.”

LeerOffbg. Joh. 2 V. 17. Der du, mitten hineingestellt in diese Welt des Kampfes zwischen Himmel und Hölle, der du angefochten und bedroht von allen Seiten, um Sinn und Ziel deines Lebens bangst, vernimm die Verheißung: „Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem verborgenen Manna und will ihm geben einen weißen Stein und auf dem Stein einen neuen Namen geschrieben, welchen niemand kennt, denn der ihn empfängt.” Lebensbrot, Himmelsbrot will dir Gott geben. Er will dein Leben, das sich nach Wahrheit und Vollendung in Gott ausstreckt, nähren. Er gibt sich selbst in dein Leben hinein, du sollst nicht verschmachten auf dem Wege, auf der Wüstenwanderung. Er gibt sich dir in dem, der da spricht: „Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel gekommen.”

LeerAlso gestärkt halte aus! Und du wirst erfahren, wie dein Leben zum klaren Kristall zusammenschießt, wie alle Wasser der Geburt, die dunklen Kräfte des Blutes, die dunklen Kräfte der Seele, wie alles, was von der Mater, der Materie in dir stammt, vom Geist geformt werden wird zur rechten Gestalt, ganz von innen her. So wie der Kristall, aus der Nacht der Erde gebrochen, aufglüht im Strahle der Sonne, so wird dein verborgenes Leben aufleuchten im Lichte der göttlichen Sonne, im Lichte des Himmels und du wirst „erkennen, gleichwie du erkannt bist”, und alle Tiefen und Rätsel deines Lebens und deines Wesens werden klar vor dir erschlossen sein. Denn „in Seinem Lichte sehen wir das Licht.”

LeerOffbg. Joh. 21, V. 10 ff. Jetzt warten wir noch der Dinge, die kommen sollen und schauen aus nach dem Ende, des wir harren. Jetzt sammeln wir uns noch in der Kirche, dem armen Abbild und Gleichnis der wahren Gottesstadt und lauschen auf das Wort der Verheißung. Jetzt leben wir noch „im Glauben und nicht im Schauen”. Jetzt sehen wir noch „durch einen Spiegel in einem dunklen Wort.” Dann aber nimmt uns auf die Stadt, die geistgebaute, die vollendete Gestalt vollkommener Gottesgemeinschaft, die Stadt von lauterem Golde, gleich dem reinen Glas. „Und ich sah seinen Tempel darin, denn der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr Tempel und das Lamm. Und die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Mondes, daß sie ihr scheinen, denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm!” Und die Heiden, die da selig werben, wandeln in ihrem Licht”. - „Er spricht, der solches bezeugt: Ja, ich komme bald! Amen, ja komm, Herr Jesu!”

Das Gottesjahr 1933, S. 118-122
© Bärenreiter-Verlag zu Kassel

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-02-12
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