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von Adolf Köberle |
Einmal schon war die christliche Kirche Katakombenkirche, Kirche unter dem Kreuz, Kirche der Schmach und der Verachtung, des Leidens und der Verfolgung, das war an ihrem Ursprung. Wie man Christus gefangen nimmt und an das Holz schlägt, so verfolgt man auch die ersten Gemeinden samt ihren Führern und übergibt sie dem Cäsar und seinen Beamten zur Hinrichtung. Aber noch einmal soll nach der gewaltigen prophetischen Schau im letzten Buch der Bibel das Leid über die Kirche bis zum Äußersten hereinbrechen, das wird in der Endzeit sein, ehe die Aufrichtung der Königsherrschaft Jesu Christi über alle Welt anbricht. Wir müssen wohl alle ehrlich gestehen, daß wir für den ungeheuren Ernst dieser Vorgänge am Anfang und am Abschluß der großen Christusgeschichte noch bis vor Kurzem ein wirklich lebensnahes Verständnis nicht gehabt haben. Die Christenverfolgungen unter den römischen Kaisern lagen ja so weit zurück, in geradezu unvorstellbaren Fernen. Die Kirche hatte sich breit und mächtig auf Erden eingerichtet. Seit Konstantin hält der Staat schützend seine Hand über dem gewaltigen Bau. Die Kultur hat den förderlichen Dienst der Religion für ihre eigenen Zwecke längst anerkannt und läßt sich die Hilfe der Kirche willig gefallen. Wohl schreibt dann und wann ein begabter Spötter, ein glanzvoller, kritischer Geist Werke, die erbitterten Haß und Hohn speien auf alles, was Evangelium und Kirche heißt. Wohl finden sich Leser und Anhänger, die sich heimlich oder unverhohlen zu solchen Angriffen bekennen, aber die allgemeine Meinung gibt diesen Gegnern nicht Recht. Man lehnt sie ab, ja man empört sich gegen sie und betrachtet das Christsein als das Normale. Es ist für das Vorwärtskommen in der bürgerlichen Laufbahn, in den öffentlichen Ämtern kein Hindernis, sondern vielmehr eine Empfehlung. Heute hat sich diese Lage weithin ganz gewaltig verschoben. Gewiß, wir sind längst noch nicht wieder eine Katakombenkirche geworden, aber es mehren sich doch zahlreich, kräftig und unheimlich die Anzeichen, die aufs neue in diese Richtung hinweisen. Die Mordkeller im Baltikum, die Leiden der russischen Christenheit, die Angriffe der Gottlosenpropaganda reden für den, der Ohren hat zu hören, eine eindrucksvolle Sprache, wohin der Geist dieser Welt treibt. Die Kirche könnte die Trübsale, denen sie entgegengeht, leichter ertragen, wenn sie sich nicht sagen müßte, daß sie selbst zu einem großen Teil die über sie hereinbrechende Not mit verschuldet hat. Der Feind steht nicht nur außerhalb des Lagers, er treibt auch im Heiligtum kräftig sein Wesen und Werk. Da ist so viel Untreue und Halbheit, so viel Feigheit und Unentschiedenheit bei denen, die sich nach dem Namen Jesu Christi nennen. Da sind so viele entscheidende Gelegenheiten verpaßt worden, da ist so viel bestes Gut verraten, verwässert und entstellt worden, daß es kein Wunder ist, wenn die Menge auf der Straße das dumm gewordene Salz verächtlich zertritt und wegwirft. Wild drängt die Gottlosigkeit von außen heran. Wir möchten empört dagegen Anklage erheben. Aber jäh verstummt uns der Mund, weil wir merken, daß hier nur ein Same in voller Reife aufgeht, den die Kirche selbst auf ihrem eigenen Acker allzulang geduldet und gepflegt hat. Solche Erkenntnis macht beschämt und bescheiden und läßt uns auch den Feind, der Leid und Verfolgung wider die Kirche plant, noch mit liebreichem, verantwortungsvollem Blick sehen und suchen. Freilich, das Andere muß die Kirche heute auch wissen. Der Gegensatz von Gott und Götze, von Christus und den Dämonen bliebe in seiner letzten Tiefe unvermindert bestehen, auch wenn der Leib der Kirche nicht so voll Flecken und Runzeln wäre, auch wenn ihr Kleid leuchtete im Glanz einer einzigartigen Reinheit und Herrlichkeit. Haben sie Christus gehaßt und verfolgt, den niemand einer Sünde zeihen konnte, so haben die Jünger des Meisters nicht zu erwarten, daß sie anders behandelt werden als ihr Herr. Wir mögen von der Kanzel noch so gewaltig von den großen Taten Gottes reden, die er der Welt zu gut hat geschehen lassen, gewaltiger, ursprünglicher, großartiger, als es unsere bescheidene Rede am Sonntag gewöhnlich vermag, der Widerstand der Weltweisheit würde dadurch nicht geringer werden sondern eher nur noch wachsen. Das Echo wäre auch dann nicht anders als damals, als Paulus auf dem Areopag vor den klugen Athenern sprach und mit leeren Vertröstungen und Ausflüchten fortgeschickt wurde. Die Kirche kann sich verzehren in Eifer und Treue, in Mitleid und Erbarmen an den Elenden und Kranken, an den Mühseligen und Beladenen, es wird immer Stimmen geben, die einen solchen heldenhaften Dienst als Schwächlichkeit und Sklavenmoral verlästern oder gar als herrschsüchtigen Seelenfang verdächtigen. Seit den Zeiten der Apostel ist von der leidenden Kirche immer .die größte Kraft und der reichste Segen ausgegangen. Unter dem Druck von außen schließen sich die Kräfte im Innern zusammen. Ströme des Gebets brechen auf, während die Feinde toben. Herzen voll brennender Sehnsucht fragen nach der Wiederkunft Christi, da kein Mensch und kein Engel mehr dem unsichtbaren König seine Herrschaft streitig macht, da Gott alles in allem sein wird. Von dieser hohen Warte aus muß die Kirche der Gegenwart auf die heraufziehenden schweren Gewitterwolken der Gottesfeindschaft blicken. Sie soll sich vor dem Leid nicht fürchten und soll den Kampf nicht scheuen, sondern der göttlichen Verheißung eingedenk bleiben: Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben! Das Gottesjahr 1933, S. 59-62 © Bärenreiter-Verlag zu Kassel |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 13-02-12 |