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von Wilhelm Stählin |
Von den Gestirnen empfängt unsere Zeit ihr Maß. Dreifach ist die Ordnung, die unserer Zeit von den Himmelskörpern und aus der Bewegung unserer Erde gegeben ist. Wenn ein T a g sich an den anderen reiht, wenn immer wieder die Zeit „vom Aufgang bis zum Niedergang” uns gegönnt und anvertraut ist zur Arbeit auf der Erde, wenn immer wieder der müde Tag in die Ruhe der Nacht sinkt und aus dem geheimnisvollen Schoß der Nacht der neue Tag geboren wird, so mögen wir wohl vergessen, aber wir brauchen doch nur daran erinnert zu werden, daß keine menschliche Willkür den „Tag” geschaffen, sondern daß diese unmittelbarste und einschneidendste Lebenseinheit verankert ist in dem Rhythmus alles irdischen Lebens, in dem unaufhebbaren Wechsel von Licht und Finsternis, den die Umdrehung unserer Erde ihm auferlegt. Und wenn das J a h r sich erneut, wenn das Leben aus winterlicher Öde neu erwacht und dann wieder in unsagbarer Farbenherrlichkeit Abschied nimmt, wenn wir zwischen Schnee und Eis das Fest der wiederkehrenden Sonne feiern oder auf der Höhe des Jahres Johannes zum Dolmetsch alles irdischen Sonnenschicksals wird: „Ich muß abnehmen”, - dann möchten wir nur wünschen, daß der große Rhythmus des Jahres viel stärker auch unser Leben auf seine starken Arme nähme, und es mit der feierlichen Wiederkehr der großen Gottesgleichnisse segne und weihe. Der Kalender aber, dieses kunstvolle Gebilde, an dem Jahrtausende arbeiten, bemüht sich aus diesen beiden eigenwilligen und einander widerstrebenden Grundordnungen, dem Tag und dem Jahr, eine für unsere Zeitrechnung brauchbare Einheit zurecht zu machen und mußte doch im Lauf der Jahrhunderte zu immer kunstvolleren Listen greifen, um nicht das Jahr durch den Tag zu vergewaltigen. Und nur nebenbei erinnert der Kalender mit seinen „Monaten”, in die er das Jahr zerlegt und denen er bald 30, bald 31 Tage zuteilt, - die Namen der Monate sind eine besondere, höchst seltsame und verworrene Geschichte für sich und ein schlimmes Beispiel dafür, wie gedankenlos die Menschheit Jahrhunderte hindurch sinnlos gewordene Namen weiter zu schleppen vermag - daran, daß auch der M o n d in seiner wechselnden Gestalt unserer irdischen Zeit seine eigene Ordnung verleiht, die sich wiederum weder mit dem Jahr noch mit dem Tag zu einer gefälligen und leichten Einheit fügt. Es hat Zeiten gegeben, in denen die veränderliche Gestalt des Mondes in ganz anderem Maß das Denken der Menschen beschäftigt und ihrem Tun Norm und Maß gegeben hat; wer spürt heute noch Vollmond oder Neumond als wirkliche Grenzzeichen auf seinem Lebensweg, es sei denn, daß der Aberglaube für sein Zaubersprüchlein auf die wirkungskräftige Neumondnacht wartet, oder der Wanderer für den nächtlichen Weg durch die Wälder gern den silbernen Glanz und Schein des Vollmonds wählt? Sehr früh in Babylonien ist die Woche zu fünf Tagen gerechnet worden, wie man sie an den Fingern einer Hand abzählen konnte, Die Verbreitung der siebentägigen Woche in unserer ganzen abendländischen Menschheit geht ohne jeden Zweifel auf die von dem jungen Christentum übernommene siebentägige Woche Israels zurück. Aber das israelitische Volk hat diese Woche keinesfalls selbst erfunden oder geschaffen, sondern hat sie selbst aus den beiden großen Kulturkreisen, von denen seine Gesittung von ihren ersten Anfängen an aufs stärkste bestimmt war, dem altbabylonischen und dem altägyptischen, empfangen und übernommen. Als Israel von jenen sechs Tagen erzählte, in denen Gott der Herr die Welt erschaffen hat, und vom siebenten, den Gott der Herr selbst als Ruhetag geheiligt hat, da entsprang der zeitliche Rahmen dieser Geschichte selbst dem Bedürfnis, einen uralten Brauch in dem Mythus von dem Ursprung alles Geschehens zu verankern. Die Woche ist älter als die Schöpfungsgeschichte. Aber woher stammt die Woche? Keine wissenschaftliche Forschung hat untrügliches Licht in das Dunkel dieser ersten Anfänge gebracht. Man hat gemeint, daß die sieben Tage der Woche den sieben Planeten entsprechen sollten, in denen die Alten sieben göttliche, die Welt beherrschende Mächte verehrten. Aber in den ältesten Zeiten findet sich keine Spur einer solchen Beziehung, und die Deutung der sieben Wochentage auf die sieben Planeten taucht tatsächlich erst im letzten vorchristlichen Jahrhundert auf. In Babylonien ist unzweifelhaft ein Monat entsprechend dem Kreislauf des Mondes, mit 4 x 7 Tagen gehalten worden, so daß die Woche aus der Berechnung der vier erkennbar verschiedenen Mondphasen, von denen jede einen Zeitraum von etwa sieben Tagen bestimmt, entstanden wäre. Aber in Alt-Israel findet sich wiederum keine Spur von einer solchen Beziehung, und es scheint, daß die Siebenzahl jenseits und v o r allen solchen astronomischen und astrologischen Beobachtungen und Spekulationen als eine heilige Zahl betrachtet und gehalten worden ist. Es war freilich nicht nur äußerlich von den weittragendsten Folgen daß sehr früh - das Altertum selbst wies auf Ägypten als Ursprungsland hin, aber vielleicht hat Aegypten selber aus fernerem Osten die astrologische Weisheit übernommen - die sieben Tage der Woche mit den damals bekannten „Planeten” in eine geheimnisvolle Verbindung gebracht wurden. Der Glaube, daß unsere irdischen Geschicke von dem Lauf der Gestirne bestimmt seien, und daß sich insbesondere in den einzelnen Planeten göttliche Mächte verbergen, die unser menschliches Leben im Guten oder im Bösen zu beeinflussen vermögen, drang aus den Geheimnissen der Sterndeuter in das Allgemeinbewußtsein, und die in ihrem Lebensgefühl unsicher gewordene Spät-Antike ergriff gierig diese kosmische Verankerung und Verflechtung des irdischen Schicksals. Es ist eine sehr seltsame Berechnung - die man in irgendeinem Handbuch der Kalenderkunde nachlesen mag, wenn man sie für wichtig genug hält - wie die einzelnen Tage zu den einzelnen Planetengöttern gekommen sind. Genug, daß die einzelnen Tage der Woche dem Saturn, der Sonne, dem Mond, dem Mars, dem Merkur, dem Jupiter und der Venus zugehörig sind, und während sie bis dahin meist - wie zum Beispiel auch in Israel - einfach mit Nummern bezeichnet wurden, nun von diesen Planetengöttern den Namen empfangen. Ja die astronomische Spekulation wußte von den einzelnen Planeten auch, welches Metall und welche Farbe ihnen zugehörig sei und welche auch dem betreffenden Tag zukomme. So ist der Tag der Sonne golden, der Tag des Mondes silbern oder grün, der Mars ist rot, Merkur blau, Jupiter gelb, Venus weiß, und Saturn, der um seines langsamen Umlaufs willen das trägste Element, das Blei, empfängt, ist schwarz. Inschriften aus den ersten nachchristlichen Jahrhunderten zeigen die schon damals allgemeine Verbreitung dieser Planetennamen der einzelnen Wochentage. Die jüdische siebentägige Woche, damals gleichfalls ebenso wie die heiligen Schriften der Juden über den Kreis ihres Volkstums hinaus verbreitet, ging parallel daneben her, doch so, daß stets der siebente Tag der jüdischen Woche, der Sabbath, mit dem ersten Tag der Planetenwoche, dem Tag des Saturn, zusammenfiel. Freilich war nun das alles zum wenigsten für den Glauben der wahrhaft Glaubenden in ein neues Licht getaucht, da der Tag der Sonne als der Tag, da Christus auferstanden war, zur kyriaké (hemera), zum Herrentag, zum „Christustag” erhoben war und als solcher die Woche begann. Hier bedurfte es nun keiner astrologischen Deutung, um die Sonne, nach der der Tag genannt war, als Sinnbild und Gleichnis für die Weltensonne Christus zu empfinden. Wie sehr damit der Wochenfeiertag in der christlichen Woche nicht nur von einem Tag auf den anderen verlegt, sondern in der Wurzel etwas völlig anderes geworden war, darüber soll in einem besonderen Beitrag dieses Kalenders gehandelt werden. Es ist aber seltsam genug, daß nicht nur die Planetennamen der einzelnen Wochentage bis zum heutigen Tag sich erhalten haben - sie waren übrigens offenbar schon in vorchristlicher Zeit mit der römischen Kultur zu den Germanen gekommen und dort durch die Namen ihrer Gottheiten ersetzt worden -, sondern daß doch auch innerhalb der christlichen Kirche immer wieder der Versuch gemacht wurde, diesen Namen eine christliche und geistliche Deutung zu verleihen. So hat Clemens von Alexandrien gemeint, daß gerade Mittwoch und Freitag als Fasttage geboten seien, habe den Sinn, daß der Christ sich vor den Göttern dieser Tage, vor Merkur und Venus hüten und sich der Geldgier und der sinnlichen Lust enthalten solle. Eine eigenartige Deutung hat Berthold von Regensburg in einer seiner Predigten den sieben Wochentagen gegeben (Deutsche Predigten, übersetzt von O. H. Brandt, Jena 1924). Den Laien, sagt er, seien zwei Bücher gegeben, daraus sie lernen sollten: Erde und Himmel. Im Himmel sollten sie lernen, nämlich von den Sternen, denen Gott Macht gegeben hat über alles Irdische, außer über den freien Willen des Menschen. Die sieben Sterne nämlich, nach denen die Tage der Woche genannt sind, verkündigen die sieben Tugenden, deren sich der Christ befleißigen soll. Die Sonne unter allen Tugenden, das ist der lautere christliche Gaube; aber wie der Mond der allerniederste Stern am Himmel ist, so predigt er uns die Demut, Mars aber die Stärke des Geistes, sonderlich im Kampf gegen die Sünde. Merkurius, der ein Mittler ist, heißt uns Friede machen, Frieden mit den Menschen, Frieden mit den Engeln, Frieden mit Gott durch wahre Reue. Jupiter aber, der Göttervater, lehrt die Mildtätigkeit. Die sechste Tugend, an die Venus gemahnt, ist die Minne, „weil Gott uns am heiligen Freitag die wahre rechte Minne erzeigt hat”. Saturn aber ist durch seinen langsamen Gang der Prediger der Stetigkeit: „Also bittet Gott, daß er euch Kraft gebe, sprechen zu können wie Paulus: ich habe den Lauf vollendet”. Alles Lebens Ursprung ist Gott. Weil die Sonne alles irdische Leben immer von neuem erweckt, weil sie der strahlende Herr des irdischen Tages ist, darum ist sie ein Gleichnis des Höchsten. Aber das Leben, dessen wir warten, ist nicht das Leben der kreatürlichen Welt, sondern ist der Hereinbruch der Gotteswelt, die Auferstehung von den Toten. Die Auferstehung ist die Vollendung der Schöpfung. Darum ist der Tag der Sonne der Tag der Auferstehung, der Tag des Christus, von dem wir unser Leben empfangen, so wie eine Woche von ihrem S o n n t a g Glanz und Freude empfängt. Aber wir sind gesandt in die Welt, und das heißt, wir sind gesandt zu Arbeit und Werk. Darum ist M o n t a g der Tag der Arbeit und des Werkes und der Weg vom Sonntag zum Werktag, „der Weg zur Arbeit”, der Weg, den wir Menschen immer wieder mit Willen und Besinnung zu gehen haben. Leben aber ist Kampf; Leben heißt wagen, heißt Schwierigkeiten meistern, heißt kämpfen und siegen; heißt „den Feind” mit rechtem Blick sehen und auf den Irrfahrten des Lebens gleich Parzifal Demut und Treue lernen, mit denen allein der Berg des Heils gewonnen werden kann. Daran mahnt der Leben aber ist Kampf; Leben heißt wagen, heißt Schwierigkeiten meistern, heißt kämpfen und siegen; heißt „den Feind” mit rechtem Blick sehen und auf den Irrfahrten des Lebens gleich Parzifal Demut und Treue lernen, mit denen allein der Berg des Heils gewonnen werden kann. Daran mahnt der D i e n s t a g. M i t t w o c h aber ist die Mitte des Lebens, ist Reife des Mannes, Reife der Frau; ist der Tag der Familie, da alle menschliche Reife des Leibes und der Seele die wahre und nächste Stätte ihrer Fruchtbarkeit findet. Aber um den engen Kreis des eigenen Hauses breitet sich die Fülle der Welt. D o n n e r s t a g ist der Tag der Welt; alle die vielfältigen Beziehungen, in die wir hineingestellt sind: soziale Verbundenheit und herzliche Freundschaft, Gemeinde und Volk, Staat und Menschheit wollen mit dem Blick des Glaubens ergriffen werden, der in ihnen allen die Stätte der Offenbarung der Herrlichkeit Gottes und die Stätten des Dienstes begreift. Aber am F r e i t a g, an dem die Glocken zur Todesstunde unseres Herrn läuten, gehen wir den heiligen Kreuzweg, den wir ja doch alle Tage unseres Lebens gehen müssen, und geloben uns aufs neue der Einsicht, die zu lernen unser Leben nicht ausreicht, daß der Weg des Lebens der Weg des Leidens, und der Weg des Sterbens die Pforte zum Leben ist. S a m s t a g aber ist das Ende; der Tag, da die Arbeit einer Woche zu Ende geht, und der unsere Gedanken heißt sich bescheiden und rüsten auf das Ende, dem wir entgegenwandern. Das Ende aber ist nicht schwarz wie das Blei des schwer lastenden Saturn, sondern es ist zugleich Verheißung wie der tröstliche Name „Sonn-Abend”: „Morgen ist Sonntag”! Das Gottesjahr 1926, S. 21-26 © Greifenverlag Rudolstadt (Thür.) |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 12-10-12 |