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Das Fest der Erscheinung Christi
von Hans Eyermann

LeerDurch unser Leben fluten, wie Lichtwellen durch den Raum, Ströme göMarie Cauer - Lebenspausenicher Gnade und göMarie Cauer - Lebenspausenichen Willens. Daraus sammeln unsere Feste wie geschliffene Linsen Strahlenbündel und lassen sie aufleuchten mit dem Hochglanz zusammengerafften Lichtes. Das ist so gemeint. Wir könnten nicht einen Augenblick sein ohne die todüberwindende Auferstehungskraft; aber von allen Tagen des Jahres stellt Ostern allein diese Seite der Gottesgnade heraus. Es wäre nicht schwer, auch andere Feste so zu sehen.

LeerBeim Epiphaniasfest geraten wir mit solchen Gedanken in Verlegenheit, da bricht kein helleuchtendes Strahlenbündel aus dem Fokus der Linse. Der Eindruck ist anders. Ein breites buntes Farbenband liegt vor uns, wie es das lichtzerspaltende Prisma zeigt. Dieses Fest ist nicht eindeutig. Mancherlei Begebenheiten und Wahrheiten machen darauf Anspruch. Innerlich verwandt sind sie freilich alle, dem gleichen verborgenen Wurzelstrang entsprossen sie.

LeerEr streckt seine Ausläufer hinein bis in den Volksglauben und die Volkssitte. Auch sie sind Teile der ursprünglichen Epiphaniaskraft und weisen hin auf sie. Dreikönigstag, das ist die Zeit, wo Leuten vom Schlage weisen hin auf sie. Dreikönigstag, das ist die Zeit, wo Leuten vom Schlage der Base Schlotterbeck „in den Gassen die Schatten vieler Gestorbenen begegnen und in die Kirche mit ihnen treten und den Altar umschreiten”. Der 6. Januar beschließt die zwölf Nächte. Sie sind ein Besonderes im Laufe des Jahres. Die „unteren Tage” nennt sie da und dort das Volk, die Tage zwischen den Jahren (inter = unter) und anderswo heißen sie die „obersten”, doch wohl, weil sie sich herausheben aus dem Fluß der anderen Tage. Da lüften sich die Schleier der Vergangenheit und Zukunft ein wenig. Ja auch in der Wand, die unsere Welt vom Reich der Toten trennt, tun sich Durchblicke auf. Darin, in dem Sichtbarwerden des sonst Verborgenen, liegt die Berührung des Volksglaubens mit Sinn und Bedeutung des kirchlichen Epiphaniasfestes.

LeerDas muß freilich gleich gesagt werden: Diesem Fest ist es ergangen wie manchmal in der Welt einem Alten. Neue kommen und wachsen in das Amt des Alten hinein. Und er muß beiseite rücken. Aber weil er nun doch einmal da ist, sucht man auch für ihn ein Werk. Und so geschieht es wohl, daß er schließlich statt mit seiner einen großen Aufgabe beladen ist mit vielen kleinen.

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LeerDas Erscheinungsfest ist eines der ältesten christlichen Feste. Es war einmal das, was heute Weihnachten ist, das Fest der Erscheinung des Herrn Christus auf unserer Erde. So bezeugt es Clemens Alexandrinus. Wohl aus einer tiefsten, nicht mehr zu erklärenden Lebensstimmung heraus war ihm und seinen Zeit- und Landsgenossen die Leiblichkeit wenig beachtlich und darum auch Jesus erst dann groß und wichtig, als sich auf ihn der Geist des Herrn niederließ und von ihm ausstrahlte. Man spürt den gleichen Untergrund der Gedanken mit dem Johannesevangelium, wo ja auch die ganze Jugendgeschichte Jesu übergangen wird und er erst mit der Taufe aus der Verborgenheit hervortritt, erscheint. Das Abendland, anders gestimmt, zog den Tag der leiblichen Geburt vor und legte ihn auf den 25. Dezember fest. Der 6. Januar aber wurde das Fest der Taufe Jesu, bald auch das der Anbetung durch die Magier. Auch den Heiden ist das Heil erschienen.

LeerDa und dort tauchen noch andere Beziehungen auf. Die römische Messe weist auf das Wunder von Rana hin. Die Wunderkraft Jesu zeigt sich zum erstenmal; vor einem weiten Kreis leuchtet sie auf in der Speisung der Fünftausend; daher wohl die Erinnerungen an dieses Geschehnis in den alten Homilien auf diesen Tag. Luther meint, man könne das alles gelten lassen, aber geordnet sei es, von der Taufe Jesu zu handeln. In der kirchlichen Übung streitet diese Beziehung mit der auf die Magier um den Vorrang; im Volksbewußtsein haben die „Drei Könige” längst die Vorhand gewonnen. Alle anderen Festgedanken der alten Zeit sind versunken. das ist kein Schade. Diese größte „Kollektivfeier”, wie sie ein alter Theologe nennt, konnte wohl eine Vereinfachung vertragen. Sie ist auch jetzt noch reich, überreich für den, der sich versenkend in den Festen den Schritt Gottes durch Zeit und Welt mitspüren möchte.

LeerWas wäre nicht alles über die Drei Könige zu sagen! Welche Schicksale hatten sie, bis aus den Magiern der neutestamentlichen Erzählung die Drei Könige wurden, die Vertreter der Völkerwelt, wohlbekannt nach Namen und Aussehen; immer schärfer wird die Zeichnung dieser Gestalten, immer mehr Einzelheiten fügt die Geschichtslegende zu ihrem Bild hinzu. Schließlich wurden sogar ihre Gebeine gefunden und unter Kaiser Barbarossa von Mailand nach Köln gebracht. Da ruhen sie heute noch. Wir lieben die Drei Könige in ihrem prächtigen Aufzuge von den Kindertagen her. Aber sie brauchen ihn nicht, um uns wert zu bleiben, diese Männer, die so fein aufweisen, was nötig ist, wenn man die Erscheinung Gottes sehen und aufnehmen soll.

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LeerWartende Menschen sind sie und schauen aus nach den Sternen. Ihr Blick bleibt nicht im kleinen Erdenwerk. Sie wissen: vom Himmel her leuchtet alles Große auf. Gott tut es. Und wagende Menschen sind sie. Darum ziehen sie hinter dem Sterne her und lassen sich nicht festhalten von den Bindungen ihrer Alltäglichkeit, die kleiner ist als das Kommende. Und ehrfürchtige Männer müssen es sein. Sie haben darum den Blick, der im schwachen Kinde den großen Gott erkennt. So werden sie laute Künder der Wahrheit, daß Ehrfurcht allein Geheimnisse Gottes erschließt. Wer aber Böses sinnt, wie Herodes, der bleibt davon ausgeschlossen. Er und alle seine Schergen finden das Kind nicht. Vor dem anbetenden Sinn der Frommen öffnet sich das Kleinod der Hütte von Bethlehem und macht reich, die kamen, um selbst zu schenken. „Sie wurden hocherfreut und zogen heim auf einem anderen Wege.” Heißt das nicht vielleicht auch: als andre Leute?

LeerAuf einer zweiten Linie und doch mit der ersten verbunden durch das Kennwort „Erscheinen” liegt die andere Festbedeutung, die Taufe Jesu. Es war einmal eine Nacht, da tat sich der Himmel auf und Engel kündeten Friede und Freude. Aber das war wie ein Meteor, der aufleuchtet und verschwindet. Nun ist das Kind zum Manne geworden. Auf das Licht, das über die Welt hinzuckt, folgt ein tiefes reines stilles Leuchten. Das irdische Leben des Jesus von Nazareth wurde durchsichtig für die Wahrheit und Gnade Gottes. Damals am Jordan sah es zuerst einer, Johannes. Und dann kamen mehr und mehr. Bis heute ist noch kein Ende und wird nie ein ende sein, daß Menschen es sehen, das große heilige Gotteslicht. Dieses Licht ist nicht mehr „Schein”. Es verbirgt das Wesen nicht, sondern tut es kund. Wir reden von der Erscheinung des Herrn Christus nicht aus der Gedankenrichtung heraus, daß wir in einer Welt der Erscheinungen leben und dahinter ewig unerkannt das Ding an sich steht. Wir meinen es hier gerade umgekehrt. In ihm wurde das innerste Wesen und die tiefste Wahrheit der Welt sichtbar und leuchtet hell auf. Dessen freuen sich seine Freunde, daß in ihm der erschienen ist, von dem und durch den und zu dem alle Dinge sind.

LeerAuch wir sind Erscheinungen. Unser Wesen schafft sich seinen Ausdruck. Das ist ein Geschehen jenseits unseres Wollens und es zeigt, was wir sind. Die Bibel nennt uns Menschen das Ebenbild Gottes, wir könnten auch sagen seine Erscheinung. Wir sind es nur, wenn er in uns wohnt. Ob er das will, steht bei ihm, es ist Gnade. Aber wir müssen wissen, daß wir nur dann sind, was wir sein sollen, wenn durch uns Gott erscheint. Heute sehnen und mühen sich viele sehend zu werden für Gott und Christus. Vielleicht sollten wir uns noch mehr sehnen, für ihn durchscheinend zu werden. Denn das dünkt mich die Vorbedingung für die neuen Augen. „Das Auge, mit dem ich Gott sehe, ist dasselbe, mit dem er mich sieht.” Anders ist es unmöglich. Gott sieht man nur mit Gottes Auge.

Das Gottesjahr 1924, S. 51-52
© Greifenverlag Rudolstadt (Thür.)

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-12
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